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www.mac-herber.de - Ich über mich
Kopf

Entstehung dieser Seiten oder ich über mich!

In Vita Videre

Mutterstadt, den 01.03.2008

Mein Name ist Rüdiger Herrmann. Ich habe diese Seiten entworfen um aus einer Not eine Tugend zu machen. Mit Modellbau habe ich mich schon lange beschäftigt, eigentlich schon seit meiner frühen Jugend. Wie es so ist im Leben, hat man durch Beruf und Familie irgendwann keine Zeit mehr diesen Dingen, die einem doch schon immer Freude bereitet haben, nachzugehen. Es kommt einem aber oft wieder in den Sinn und irgendwann, die Kinder sind aus dem Haus, für den Stress in der Firma braucht man einen Ausgleich oder wie bei mir, eine Krankheit, und man besinnt sich wieder auf Dinge die man mal gerne gemacht hat und gerne zur Ablenkung oder zur Beschäftigung wieder tun möchte.

Meine Krankheit nennt sich Multiples Myelom und ist eine Blutkrebserkrankung die bis jetzt nicht heilbar ist. Diese habe ich seit Dezember 2005. Nachdem ich im Juni 2006 meine erste Stammzelltransplantation hinter mich gebracht habe und es wieder aufwärts ging, die Blutwerte sich einigermaßen stabilisiert hatten, ging ich wieder arbeiten. Zwar halbtags aber immerhin musste ich in dieser Zeit nicht über meine Krankheit und was noch so kommt nachdenken. Also habe ich wohl alles verdrängt. Ich liebte meine Arbeit und fuhr jeden Tag gerne ins Büro. Ich hatte wirklich super nette Kollegen die mich unterstützten. Aber wie es halt so ist, man verfällt sehr leicht in den alten Trott zurück. Das Ergebnis war, die Krankheit kehrte im Januar 2007 zurück und heftiger denn je. Mein Rückenmark war zu diesem Zeitpunkt zu 90% mit Krebszellen infiltriert. Ich bekam ein relativ neues Medikament auf das ich sehr gut ansprach. Die Blutwerte wurden etwas besser. Die Ärzte meinten nur eine Stammzelltransplantation mit einem Fremdspender würde mir eine Überlebenschance geben. Also wurde die Suche nach einem Spender bei der DKMS eingeleitet. Meine Kollegen veranstalteten eine Spender- Such-Aktion und es kamen viele Menschen die sich testen ließen um mir zu helfen. Es war herzzerreißend wie viele Menschen doch dafür bereit sind einem Anderen zu helfen. Nochmals vielen Dank an die Firma und deren Mitarbeiter.

Meine Chancen standen aber 1:975.000 einen passenden Spender zu finden. Also fast unmöglich. In der Zwischenzeit ging es mir immer schlechter und ich bekam jetzt fast wöchentlich Blutkonserven und Thrombozyten. Ein Zustand der auf Dauer nicht auszuhalten ist. Aber wieder kam ein neues Medikament auf den Markt das ich jetzt einnahm. Da ich noch eigene Stammzellen eingefroren hatte, entschloss ich mich für eine zweite autologe Transplantation. Mit bis jetzt sehr gutem Erfolg. Und Dank dem neuen Medikament Revlimid hoffe ich nun meine stabilen Blutwerte zu halten.

Aber nicht die Medikamente alleine sind maßgebend für meinen jetzigen guten Zustand (Prof Einsele vom Klinikum Würzburg sprach von einem kleinem Wunder) sondern wohl auch meine Einstellung zum Leben. Meine Frau die wohl mittlerweile mehr über diese Krankheit weiß wie so mancher Doktor hat mich jederzeit unterstützt und mich nicht in tiefe Depressionen abstürzen lassen. Ihr verdanke ich eine großen Teil meines jetzigen Lebens.

Die Einstellung und meine Hobbys tragen bestimmt einen großen Teil zu meinem derzeitigen guten Zustand bei.

Wenn ich also mal nicht im Krankenhaus war habe ich mich wieder mit Modellbau beschäftigt. Ich musste was bauen, das meinem neuen Leben irgendwie ein Symbol setzte.

Aber was? Früher hatte ich Modellautos gebaut, Flugzeuge und schnelle Schiffe aber auch Segelschiffe von denen ich eines noch habe. Auch in meinem Beruf war ich lange auf der Überholspur. Von all dem wollte ich ja weg und mein Leben in nun ruhigerem Fahrwasser verbringen.

Ich dachte lange darüber nach. Autos und Flugzeuge schieden gleich aus. Die sind zu schnell und zu nervös. Ebenso Rennboote. Das Benzin ist schnell verfahren und einfach zu schnell. Ein Segelschiff ist da anders. Wenn der Wind geht ist es zwar auch schnell aber nicht so wie ein Rennboot. Man kann Stunden damit auf dem Wasser zubringen. Man kreuzt und lässt sich von dem Wind tragen. Aber das ist das Problem. Man ist abhängig vom Wind. Ein äußerer Einfluß den man selbst nicht bestimmen kann. Man peilt ein Ziel an und muss durch den Wind kreuzen. Man macht längere Wege wie es eigentlich nötig ist. Und bei Flaute kommt man nicht vom Fleck

Ich entschied mich also für ELKE. Einem Bausatz von Graupner. Einen Fischkutter. Nachdem ich den Bausatz hatte, fiel mir doch ein für was ELKE eigentlich steht.

  • E – wie Energie
  • L -  wie Leben
  • K – wie Kraft
  • E – wie Elan

Mit so einem Fischkutter kann man viele Dinge tun. Man kann sich einfach nur auf Deck setzen und den Sonnenuntergang genießen, man kann sich auf dem Meer treiben lassen und kommt aber auch wieder zurück auf direktem Weg. Man kann arbeiten wenn man will und ein paar Fische fangen. Es ist ein Schiff mit dem man zwar langsam vorwärts kommt, aber stetig. Man steht selbst am Ruder und bestimmt die Richtung ohne auf den richtigen Wind warten zu müssen. Es muss kein Rennboot mit 1000 PS sein um sein Ziel zu erreichen, es reicht auch ein kleiner Dieselmotor.

So fing es an, danach kam Riva Diva. Ein Mahagoniboot aus den 60-igern. Mein erstes Boot in Spantenbauweise. Eine neue Herausforderung. Danach kam die Lady of Glencairn, ein Schlepper zur Luxusyacht umgebaut mit vielen Details. Inzwischen begann ich aber auch zu malen. Ich hatte ja viel Zeit. Von den Donald's angefangen zu Auftragsarbeiten meines Sohnes. Mit etwas Übung kann das jeder.

Dann kam Weihnachten. Freunde von uns sind Schausteller und haben Imbissbuden die sie teilweise selbst bauen. Da eine Neue anstand, versuchte ich es mal mit einem Modell. Heute ist dies unser Vogelhaus. Ein Imbiss für Meisen. Das nächste war dann meine erste Krippe. Es war ja Weihnachten. Mittlerweile sind es vier und eine schöner als die Andere (meine Meinung). Wir haben zwar Platz, aber irgendwann sind es einfach zu viele Dinge die so rum stehen.

So kam dann zunächst die Idee diese Krippen, die wirklich toll sind, auf einem Weihnachtsmarkt anzubieten. Wir haben aber März! Es ist wohl nicht die richtige Zeit so was nun zu verkaufen, auch nicht bei Ebay. Auch wird dort nicht oft der Wert anerkannt den man in ein solches Objekt investiert. Menschen die das Handwerk schätzen oder eines ausüben, erkennen oft diese Werte da sie sie mit anderen Augen sehen. So kam ich also auf die Idee diese Seite zu gestalten und meinen Hobbykollegen die Möglichkeit zu geben auch ihre Kunstwerke hier anzubieten und vielleicht auch zu verkaufen, obwohl man sich sehr ungern davon trennen möchte.

Meine Arbeiten und das Besinnen auf das Wesentliche im Leben haben dazu geführt aus mir einen zufriedeneren und glücklicheren Menschen zu machen. Mein Körper dankt es mir, in dem er wieder gesundes Blut produziert. 

Und mit diesen Seiten möchte ich anderen einfach was Gutes tun und einen kleinen Beitrag zu leisten wieder Platz in unserer Wohnung zu bekommen.

Soviel zu meiner Geschichte.

Rüdiger Herrmann

01.03.2008

Mutterstadt, den 23.07.2008

Die Geschichte „Ich über mich“, ist wohl noch nicht zu Ende. Nach meiner zweiten Stammzellentransplantation ging es mir sehr gut und so konnte ich doch wieder mal Pläne für die nähere Zukunft machen. Unter anderem einen Urlaub mit dem Wohnmobil. Erst mal Schottland, ein Land das einfach unbeschreiblich ist. Für mich ein Land in dem ich irgendwann, vielleicht in einem früheren Leben mal, gelebt haben muß. Da ich meinen Kindern David (23) und Sarah (19),  seit meinem ersten Urlaub dort, immer versucht habe meine Begeisterung rüber zu bringen, beschlossen ich und meine Frau Heike (das Beste das mir je wieder fahren ist und die Liebe meines Lebens) doch den Kindern mal dieses Land zu zeigen. Zumindest für ein paar Tage. Also so der Plan. Wir fahren mit einem Womo (von einer sehr guten Freundin von uns) erst mal nach Schottland und dann nach England und dann in die Normandie und die Bretagne. Also erst mal die erste Etappe planen mit allem was so dazugehört. Die Kinder sollten die Highlands sehen und danach über Edinburgh nach Hause fliegen und wir fahren weiter. Lassen uns über 4 Wochen Zeit damit, die anderen Länder zu bereisen. Die Planungsphase ist schon gut. Man freut sich auf den Urlaub und sieht schon so manche Dinge vor sich und die Freude darauf steigt.

Man rechnet in den Zeiten in denen es einem gut geht mit keiner Verschlechterung der Krankheit und das ist oft heimtückisch. 5 Wochen vor der geplanten Abfahrt erwischt mich doch so eine dumme Grippe. Bei einer Immunschwäche kann aber auch eine Grippe nicht so auf die leichte Schulter genommen werden. Und es hat mich ganz schön erwischt. Zu der Grippe kam noch eine Nebenhöhlenentzündung dazu und ich lag lange im Bett ohne was tun zu können. Zwei Wochen vor der Reise hatte ich einen Termin bei Prof. Einsele in Würzburg (ein Prof. mit Charisma und großem Wissen auf dem Gebiet des Multiplen Myelom). Der IGG-Wert war wieder am steigen. Kommt meine Krankheit wieder zurück? Das war die Frage. Ist die Grippe der Auslöser gewesen? Kann sein, muß aber nicht. Er rät mir trotzdem in Urlaub zu fahren und gab mir Adressen in London und Paris von seinen Kollegen falls was sein sollte oder nur um meine Blutwerte zu kontrollieren. Der Beschluß stand also fest, wir fahren, halt erst mal nach Schottland und wenn es nicht anders geht wieder nach Hause. Eine Entscheidung die im nachhinein die Beste war.

Nach dem Einsteigen ins Womo bei der Abfahrt fing der Urlaub an und mir ging es ab dem Zeitpunkt nur gut. Wir fuhren los nach Calais von dort mit der Fähre nach Dover und ab durch England in die Highlands (Reisebericht dazu auf den Seiten www.machherber.de). Wieder zu Hause. Die Begeisterung inmitten der Highlands zu stehen teilen nun auch meine Kinder. Auch wenn sie nur einen Teil davon gesehen haben.

Nachdem David und Sarah auch wieder weg waren und es mir richtig gut ging (aber nicht weil die Kinder wieder weg waren, es war herrlich mit ihnen) setzten wir unseren Urlaub fort. Erst durch England dann Frankreich.

Der schönste Urlaub den wir je erlebt haben. Dort zu bleiben wo es einem gefällt, wenn es besonders schön war einen Tag länger oder auch zwei, einfach grandios. Französische Lebensweise, Baguette, Käse und Cidre und das ganze zu jeder gewünschten Zeit und an Orten wo der liebe Gott wohl auch eine Rast eingelegt haben muss.

Aber auch 4 Wochen gehen einmal zu Ende. In diesen über vier Wochen ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Wir machten lange Wanderungen und meine Kondition war teilweise besser als die von Heike.

Nach der Rückkehr nach Mutterstadt an einem Donnerstag war also alles Bestens. Montags hatte ich einen Termin im Krankenhaus um die Blutwerte zu kontrollieren nach nun über 5 Wochen. Aber was soll schon sein? Mir geht es doch bestens. Selbst mit dem Fahrrad war ich nun wieder unterwegs. Am Donnerstag hatte ich einen Termin bei Prof. Uppenkamp im Klinikum Ludwigshafen zur Besprechung der Blutwerte. Eine Niederlage. Mir ging es gut aber die Krankheit schlägt wieder zu. Heftiger denn je und die Chemo muß am Montag starten. Es haben sich noch zwei Tumore in meinem Kopf gebildet die auf Nerven drücken. Beschissene Situation. Meine Psyche liegt am Boden.

Aber was kann man tun. In diesen Momenten ist man hilflos und keiner der jemals in einer solchen Situation war kann es verstehen. Das geht nur mit Hilfe von deiner Psyche und einem guten Partner.

Die zwei Tage Depression haben mich über diese Situation viel gelehrt. Viele Dinge müssen wohl so sein? Woher kommen die Tumore im Kopf?

Ich war ein Mensch der viele Dinge verdrängt hat und viele dieser Dinge haben sich im Kopf wohl festgesetzt und mir ein schlechtes Gewissen bereitet. Viele Dinge wurden nie ausgesprochen. Und viele Dinge über lange Zeit mit sich rumtragen ist wohl nicht gut und verursacht dann wohl Krankheiten an den schwächsten Punkten. Der Körper gibt Warnzeichen auf die man reagieren oder sie ignorieren kann.

Diesmal habe ich reagiert. Im Krankenhaus habe ich mich entschlossen Dinge mit Menschen zu klären, die mir sehr wichtig sind. Meine Kinder, mein Bruder und vor allem meiner geliebten Frau (allerdings war mit der am Wenigsten zu klären).

Das Leben ist wie ein Puzzle. Alles passt irgendwie zusammen. Im Urlaub haben wir viel gelesen. Unter anderem die Triologie „Der goldene Kompass - Das magische Messer und - Das Bernsteinteleskop“. Eigentlich ein Kinderbuch. Aber seit dieser Zeit habe ich keine Angst mehr vor dem Tod und die Zeit danach. Eine Offenbarung für mich. Mit dieser Offenbarung kann ich loslassen. Ich gebe natürlich nicht auf, denn ich lade ja im Moment jeden zu meinem 70. Geburtstag ein (ich werde in ein paar Tagen aber erst mal 49).

Mein Leben hat sich dadurch wieder völlig geändert ich bin die Ruhe in Person, sehe meine Krankenhausaufenthalte als meine Arbeitszeit an, denn für meinen Körper muß ich ja was tun wenn ich älter werden will, aber den Rest der Zeit verbringe ich mit meiner Frau, meinen Kindern, wenn sie Zeit haben, meinem Bruder mit dem ich nun wieder in sehr gutem Kontakt stehe (und ich glaube wir lernen uns erst jetzt richtig kennen). Ich sehe Sonnenaufgänge (zumindest in der Zeit in der ich Kortison nehme und ich dadurch nur wenige Stunden Schlaf finde) die ich dieser Form nie wahrgenommen habe. Ich sehe Dinge bewusster und freue mich daran. Die Zeit, die wir noch haben kennt Niemand. Meine ist vielleicht kürzer als bei Anderen. Aber die Zeit die mir bleibt, ist wohl die beste Zeit meines Lebens. Ich genieße jeden Morgen den ich erwachen darf, ich genieße die kleinen Dinge auf die es in meinem Leben nun ankommt.

Wenn es mein Zustand zulässt, spontan sein, sich einen Kaffee zu gönnen in der Fußgängerzone, die Leute in ihrer Hektik vorbeiziehen zu sehen, die nicht auf den Spatz achten der gerade Futter sucht um zu überleben. Die zwar gesund sind (vielleicht) aber blind sind für die wesentlichen Dinge im Leben.

Ich bin meiner Krankheit dankbar und sie musste wieder kommen. Ohne sie würden mir diese Erkenntnisse fehlen. Und das wäre dann wohl nicht mein Leben. Ich hätte wieder verdrängt, hätte nicht meinen Kopf und meine Seele befreit (meine Tumore sind nun fast nicht mehr von außen zu sehen), ich wäre wohl wieder in meinen alten Trott zurückgefallen.

Mir geht es besser denn je, mit der Krankheit. Meine Krankheit hat die Möglichkeit mit mir zu leben. Wenn ich sterbe wird sie es auch tun.

Aber bis dahin werden wir gemeinsam dabei sein.

IN VITA VIDERE ET CARPE DIEM - ERWACHE UND GENIESSE DEN TAG

(Mein nein neuer Leitspruch – allerdings mehr so Asterix Latein.)

Ich könnte jetzt nun viele Dinge schreiben und die besten Einfälle habe ich in der Nacht. Tagsüber habe ich gar keine Zeit. Entweder tue ich was für meinen Körper (Krankenhaus und Chemo) oder ich male, bastle und tue Dinge die mir Spaß machen und nur noch solche.

Mittlerweile könnte ich auch ein Buch schreiben über das Multiple Myelom und deren Auswirkung auf die Psyche. Oder aber auch nur ein Buch über mein Leben.

Ich kann es aber auch lassen. Bücher über Krebserkrankungen gibt es ja schon viele. Auch aus der Sicht von Betroffenen. Auf eins mehr oder weniger kommt es daher wohl nicht an. Ich schreibe und setzte es auf meine Homepage. Vielleicht liest es auch mal jemand. Vielleicht möchte sich dann auch jemand mit mir in Verbindung setzen. Gerne.

Wenn ich nur einem Menschen damit helfen kann, habe ich doch mehr erreicht, dank meiner Krankheit, wie so manch Anderer.

Was fehlt ist auf jeden Fall die Liebeserklärung an meine Frau. In einem Buch würde das im Anhang stehen „Für alle die, die mich beim Schreiben unterstützt haben“.

Ohne Heike wäre ich nicht mehr am Leben (sie ist meine zweite Frau und wir sind nun seit über elf Jahren glücklich und sie ist die Liebe meines Lebens). Ohne ihr unermüdliches Stöbern im Internet nach neuen Erkenntnissen in der Forschung, nach neuen Medikamenten und ihr Verständnis mir gegenüber hätte ich wohl schon lange resigniert.

Eine solche Liebe darf man, wenn man sie gefunden hat nicht aufgeben. Ich weiß das sie auf eigenen Beinen stehen wird wenn mein Körper mir den Dienst nicht erweist weiter zu leben.

Die Zeit die wir hatten und wir noch haben werden, wird sie wohl nie vergessen. In guten wie in schlechten Zeiten hat sie mir Kraft gegeben. Ich bin ihr dafür unendlich dankbar und werde als Sternenstaub über sie wachen.

Auch meine Kinder sind nun mehr oder weniger erwachsen und verstehen manche Dinge anders (auch sie haben Heike schätzen gelernt und begriffen das sie die bessere Frau an meiner Seite ist). Auch sie geben mir Kraft und Lebensfreude. Auch sie werden ohne mich ihr Leben in die richtigen Bahnen lenken. Ich bin stolz solche Kinder zu haben (zumal Sarah meine Stammzellen trägt, die dieses Jahr noch transplantiert werden sollen, dank neuer Methoden der Stammzellenforschung, eine sogenannte haploidente Transplantation).

Was will ein Mann also mehr?

Ob meine Geschichte weiter geht, oder ab sie bald endet, wer weiß das schon. Wenn sie nicht endet werde ich diesen Bericht weiter schreiben, in einer Nacht in der ich vielleicht wieder nicht schlafen kann. Oder an einem Tag in der Zukunft, nächstes Jahr wenn die Krankheit beschlossen hat sich auf weiteres nicht mehr zu melden oder wann auch immer.

Egal. Das Leben ist zu schön um über den richtigen Zeitpunkt nachzudenken (wann ist der richtige Zeitpunkt?). Das Morgen ist wichtig. Den Morgen erleben, den Sonnenaufgang und den Sonnenuntergang zu sehen, die Liebe zu genießen, die Schmetterlinge im Bauch zu fühlen, alte Dinge mit anderen Augen zu sehen und diese Erfahrung mit Anderen zu teilen.

Die innere Ruhe und die Ausgeglichenheit in mir ist eine Erfahrung, es war ein Lernprozess ohne fremde Hilfe. Nicht jeder ist dazu bereit oder kann dies so umsetzen. Aber ein Versuch ist es auf jeden Fall wert. Innere Ruhe geht auch auf andere Menschen über, das zeigt jetzt auch meine Erfahrung damit.

Ich gehe offen mit meiner Krankheit um. Ich sage jedem daß ich Krebs habe, ob sie es wissen wollen oder nicht. Aber warum soll ich es verheimlichen. Jeder ist früher oder später mit so was konfrontiert (wenn auch nicht immer mit der Diagnose Krebs). Aber das Denken, das es immer nur die Anderen sind, kann sich ganz schnell ändern.

Jetzt ist es aber gut mit soviel Gelaber. Dieser Bericht wird irgendwann weiter geschrieben, so hoffe ich es doch. Morgen ist ein neuer Tag. Ich habe noch eine Minni Mouse zu malen, ein Donald und eine Daisy wollen noch auf einer Leinwand festgehalten werden und für meine Krippen und Fachwerkhäuser brauche ich auch noch Zeit. Ich habe eigentlich gar keine Zeit am Tag, muß ich gerade feststellen. Das wird wohl der Grund sein das ich in der Nacht schreiben muß. Ach ja, Heike muss ich ja auch noch zeitlich unterbringen. Ich sollte mir einen Zeitplan zumindest für die nächste 21 Jahre zurechtlegen. Aber wann soll ich den noch machen? Also eine Krippe weniger bauen (Bauzeit mindestens 4 Wochen) und mir mal einen Kalender besorgen der bis zu meinem 70. Geburtstag geht.

Hat jemand eine Idee wo man so was bekommt?

Rüdiger Herrmann

23.07.2008

Mutterstadt, den 14.11.2011

3 Jahre und fast 4 Monate später....habe ich nun endlich die nötige Kraft und Ruhe seinen Bericht zu beenden. Die Seiten hobbyarbeiten.de gibt es nicht mehr, daher steht der Bericht jetzt hier auf unserer Seite.

Ich hatte direkt nach seinem Tod, am 02.04.2009 weitergeschrieben, um nichts Wichtiges zu vergessen, was alles in der Zeit zwischen Juli 2008 und April 2009 geschehen ist.......aber der Text wurde auf meinem PC nicht gespeichert.....vermutlich ist das auch gut so, denn ich weiß nicht genau, ob es richtig gewesen wäre diese frischen Erlebnisse originalgetreu wiederzugeben.

Heute trage ich die Erinnerung noch in mir, als wäre es erst gestern gewesen und trotzdem habe ich einen entsprechenden Abstand gewonnen, der mich leichter schreiben läßt. Vielleicht ist es auch besser, eben nicht alles zu schreiben, denn wer so einen Lebenseinschnitt noch nicht erlebt hat, kann es nicht nachvollziehen und der, der es erlebt hat, kämpft mit seinen eigenen Gefühlen hart genug. Auch jetzt noch ist es schwer für viele in meinem Umfeld, die richtigen Worte zu finden, dazu sei gesagt, es gibt kein richtig oder falsch. Jeder Einzelne von meinen Freunden, Verwandten, Kollegen oder Chefs war auf seine Art für mich da und dafür bin ich jedem unglaublich dankbar.

Also, einen Kalender bis zu seinem 70. Geburtstag hat er dann wohl nicht gebraucht. Noch nicht mal bis zu seinem 50. Geburtstag, aber das wußte er ja schon sehr früh in seinem Leben. Schon als ich ihn kennenlernte und er von einer Krankheit nichts wußte und weit davon entfernt war, sagte er immer in Bezug auf die Zukunft, daß er das Gefühl habe nicht mal 50 Jahre alt zu werden. Natürlich widerspricht man in diesem Moment und sagt so Sachen wie, das kann man doch nicht wissen..........

....eine makabre Erfahrung, wenn man dann eines Besseren belehrt wird und der Mensch mit seiner Eingebung Recht hatte.

Doch im Vergleich zu vielen Menschen, die ein langes Leben haben und einfach nur „das Leben rumkriegen“, hat Rüdiger sein Leben bewußt gelebt, besonders bewußt während seiner Krankheit. Bis auf die letzten 3 Monate seines Lebens, als er schon wußte, daß alle Hoffnungen und ausgefallenen Therapien nicht den gewünschten Erfolg hatten, hat er jeden Tag geniessen können. Sicher gab es Tage die schlechter als andere waren, an denen er sehr müde und antriebslos war oder Schmerzen hatte, aber selbst dann hat er sich nicht unterkriegen lassen und gebastelt und gemalt. Allem, was er selbst darüber geschrieben hat, kann ich an dieser Stelle nur zustimmen.

In den letzten 3 Monaten seines Lebens in Würzburg sind wir gemeinsam durch die Hölle gegangen, das muß hier als Erklärung reichen, da ich die schlimmste Zeit meines Lebens nicht aufschreiben kann und will.

Ja, sein Leben ging am 02.04.2009, nachmittags zu Ende.

Heute weiß ich, daß er das an diesem Morgen schon wußte.....er hat sich mit einem ganz besonderen, wissenden Blick von mir verabschiedet, in dem all seine Liebe zu mir lag und der mir sagen sollte, daß er sehr bedauert, den Weg mit mir nicht weitergehen zu können, er aber leider nichts daran ändern kann. Die Entscheidung genau dann zu gehen und nicht noch länger mit diesem verhassten Körper leben zu müssen oder womöglich ein weiteres Mal ins Krankenhaus gehen zu müssen, hat er selbst getroffen, in dem er mich zwar den Notarzt hat kommen lassen, aber nur zu meiner Unterstützung, um nicht alleine zu sein.

Mein Leben verlief daraufhin erst einmal in ziemlichen Kapriolen, die ich aber nicht wahrgenommen habe. Wenn ich heute so über das erste Jahr nach seinem Tod nachdenke, stelle ich fest, daß ich sehr viele Erinnerungslücken habe. Ich mußte funktionieren, auf Ämter gehen, Banktermine machen, Geld verdienen und nicht zuletzt einfach nur weiter leben. Einer meiner Leitsprüche lautet: „Alles im Leben ist für irgendwas gut“. Heute weiß ich, daß auch das alles seinen Sinn hatte und mir geholfen hat, wieder eine gewisse Normalität zurück zu gewinnen.

Ich habe ihm versprochen weiter zu leben und werde mich daran halten, ebenso wie ich versuchen werde wieder glücklich zu werden. Er hätte nichts anderes von mir gewollt und sollte ich ihn irgendwann wiedersehen im Reich der Toten (Teil III der Trilogie, Das Bernsteinteleskop), dann muß ich doch auch eine gute Geschichte haben, die ich erzählen kann, oder?

Heike Herrmann

14.11.2011